Rojda Aydın
ŞIRNEX – Taybet Inan, deren toter Körper sieben Tage lang auf der Straße lag, wurde vor 5 Jahren in Silopî getötet. Ihre letzten Worte waren „Mir ist kalt, ich bin sehr durstig”. Ihre Tochter Halime Akın sagte: „Wir werden sie nicht vergessen. Nicht nur für fünf Jahre, wir werden für Jahrhunderte trauern.”
Taybet Inan brannte sich in den Herzen der Menschen als „Mutter Taybet”.
Ihr toter Körper lag sieben Tage lang auf der Straße.
Mutter Taybet musste 1993 den Tod ihrer beiden Kinder bei einer Minenexplosion miterleben. Nach 23 Jahren wurde sie auf der Straße ermordet und ihre Kinder wurden Zeugen davon. Fünf Jahre sind seit der Ermordung von Mutter Taybet vergangen, die am 19. Dezember 2015 während einer Ausgangssperre, von Scharfschützen erschossen wurde. Mutter Taybet lag stundenlang verletzt auf der Straße. Als ihre Kindern, ihr Ehemann und ihr Schwager versuchten sie von der Straße zu holen, konnten sie aufgrund der Schüsse der Scharfschützen nicht einmal einen Schritt raus machen. Ihr Schwager, Yusuf Inan, wurde bei dem Versuch erschossen, die Leiche von Mutter Taybet von der Straße zu nehmen.
5 Jahre der Trauer
Menschen, die sich dem Leichnam von Mutter Taybet (die 7 Tage lang auf der Straße lag) mit weißen Flaggen näherten, um den Leichnam von der Straße zu nehmen, wurden ebenfalls erschossen. Auch ihr Mann wurde verletzt.
23 Tage später wurde der Leichnam von Mutter Taybet begraben, ohne dass ihre Kinder und ihr Ehemann dabei sein durften.
Die Worte von Halime Akın (Tochter von Mutter Taybet) lauteten wie folgt: „Wir haben überhaupt nicht geschlafen, Vögel und Hunde kamen und taten unserer Mutter weh. Meine Mutter lag reglos da, unsere Herzen zerbrachen nur ein paar Meter von ihr entfernt”.
Als Halime erzählt, was passiert ist, erinnern sich alle FamilienmitgliederInnen mit tiefem Schmerz an das, was damals geschah. Halime, die anfängt über ihre Mutter zu sprechen, wischt sich mit der Hand die Tränen ab und beginnt von ihrer Mutter zu erzählen, von dem Moment des Massakers und was sie fühlte.
Ihre letzten Worte: „Mir ist kalt, ich bin sehr durstig“
Halime beginnt zu erzählen: „Nachdem sie morgens gefrühstückt hatte, ging sie zum Nachbarhaus, um zu verstehen, ob sie etwas brauchen oder nicht”, und fährt wie folgt fort „Meine Mutter ging wie immer zu ihrem Nachbarn. Während sie von der Nachbarin nach Hause kam, sah sie, dass ihr Haus brannte. Als sie das sah, sagte meine Mutter: „Mein Haus brennt, es ist nicht mehr wert als die toten jungen Leute”. Dann macht sie sich auf, um das Feuer zu löschen. Die Nachbarn konnten sie nicht aufhalten. Am nächsten Tag gingen die Nachbarn ihre Kuh füttern und sie sahen meine Mutter auf der Straße. Sie wurde auf der Straße von den Scharfschützen der Regierung erschossen. Später riefen die Nachbarn an und informierten meine Familie über sie. Wir konnten nicht glauben, dass die verletzte Person unsere Mutter war. Meine Mutter war am Fuß und am Arm verletzt. Mein Vater versuchte, zu ihr zu gehen und sie zu retten. Als mein Vater ging, um meine Mutter zu retten, sagte meine Mutter zu ihm: „Komm nicht! Sie werden dich auch erschießen.” Mein Vater sagte zu ihr: „Ich werde dir ein Seil zuwerfen, wenn du es halten kannst, kann ich dich ziehen.” Als mein Vater das Seil warf, fingen wieder Schüsse an und eine Kugel traf die Hand meines Vaters. Meine Mutter sagte zu meinem Vater: „Mir ist kalt, ich bin sehr durstig.” Scharfschützen schossen auch auf meinen Onkel Yusuf, als er versuchte, meine Mutter zu retten.
Mein Vater rief die Polizei und sagte: „Meine Frau sitzt auf der Straße fest, mein Bruder ist verletzt.” Wir forderten einen Krankenwagen an. Wir sagten: „Gebt uns einen Krankenwagen, wir werden ihn selbst bringen.” Sie wollten, dass wir mit weißen Fahnen rausgehen. Wir gingen mit weißen Fahnen raus und die Scharfschützen begannen zu schießen. Sie schossen dreimal auf die Straße, während wir mit weißen Fahnen unterwegs waren. Sie haben auf Leute geschossen. So vergingen sieben Tage. Wir hätten meine Mutter retten können, wenn es keine Scharfschützen gegeben hätte. Meine Mutter ist dort gestorben und ihr lebloser Körper wurde tagelang auf der Straße liegen gelassen. Wir waren in tiefer Verzweiflung. ”
Sie beobachtete ihre Mutter 7 Tage und 7 Nächte lang vom Fenster aus
Halime sagte, dass sie ihre Mutter vom Fenster des Nachbarhauses aus beobachtete, wo sie sieben Tage und sieben Nächte festsaßen. Sie fuhr fort: „Wir haben nie geschlafen, weil Vögel und Hunde kommen würden. Meine Mutter lag dort, und wir starben mit ihr, nur ein paar Meter entfernt. Wir starben auch mit ihr. Der Staat ließ uns sieben Tage lang leiden. Der Leichnam meiner Mutter lag sieben Tage lang mitten auf der Straße. Jedes Mal, wenn ich in das Gesicht meiner Mutter schaute, sah sie aus, als würde sie in einem tiefen Schlaf liegen. Wir werden diese Grausamkeit und Brutalität nie vergessen. Was war unser Verbrechen? Was haben wir getan? Warum hat uns die Regierung ohne Mutter zurückgelassen? Wir werden nie vergessen, was meine Mutter erlebt hat. Wir werden den Fall meiner Mutter nie aufgeben. Wir werden weiter auf diesem Weg sein und den Fall bis zum Ende verfolgen. Wir werden diesen Fall unseren Kindern und Enkelkindern erzählen, damit sie nicht vergessen wird. Wir haben den Tod meiner Mutter miterlebt, meine Mutter hat den Tod ihrer Kinder miterlebt. Sie haben uns nicht einmal erlaubt, ihre Leiche zu beerdigen. Die letzten Worte meiner Mutter waren: „Deine Schwester und dein Bruder (Meryem und Süleyman) vertraue ich dir an”. Sollen Jahrhunderte vergehen, nicht nur 5 Jahre, werden wir trauern sie nicht vergessen. Wir werden diese schwarzen Kopftücher tragen, um unsere Trauer und unser Leid nicht zu vergessen. Wir hoffen, dass wir diese Tage nicht wieder erleben werden. Wir wollen nicht, dass irgendjemand diese dunklen Tage erleben muss.”
„Sie war ein weiser Mensch“
Halime, die ihre Tränen nicht unterdrücken kann, wenn sie sagt: „Jedes Mal, wenn ich ‚Mama‘ sage, brennt mein Herz”. Weiter erzählend, spricht Halime, wieder ihre Tränen mit den Händen abwischend, über ihre Mutter mit den folgenden Worten: „Sie war ein weiser Mensch. Jeder, der meine Mutter kannte, respektierte sie. Sie war sehr freundlich. Ihr Haus war immer voll von Gästen. Da Mutter Taybet eine gebildete, kultivierte und weise Person war, respektierte sie jeder. Ihr Haus war nie leer. Sie war ein weiser Mensch. Die Erinnerungen an sie leben. Wir vermissen sie. Die Sehnsucht nach ihr wird von Tag zu Tag größer. Noch immer verstehen wir nicht, wie sie ermordet werden konnte… Warum hat man sie ermordet? Sie war doch nur eine Mutter. Ich erlebe den Schmerz meiner Mutter jeden Tag und ich vergesse ihn nicht. Ich werde nicht vergessen, bis ich sterbe. Jede Minute, jede Sekunde muss ich an meine Mutter denken.”
Mutter Taybets zwei Kinder wurden 1993 ermordet
Mit den Worten „Das ist nicht das erste Mal” erinnert Halime an die Ermordung ihrer Geschwister, der 12-jährigen Esmer und den 4-jährigen Botan, im Jahr 1993. „Das Leben meiner Mutter war immer von Schmerz geprägt. Trotz aller Verfolgung und Unterdrückung hat meine Mutter ihren Kampf nie aufgegeben. Im Jahr 1993 töteten sie zwei meiner Geschwister. Sie waren zum Spielen rausgegangen. Als sie nicht kamen, gingen meine Mutter und meine Tante hinaus, um sie zu suchen. Sie sahen, dass sich am Anfang des Viertels Soldaten versammelten. Sie gingen ebenfalls auf diese Menschenmenge zu. Sie gingen hin und sagten den Soldaten, dass ihre Kinder verschwunden seien, aber die Soldaten richteten ihre Waffen auf sie. Meine Mutter versuchte zu dieser Zeit, zu der Stelle, an dem die Soldaten sind, zu gelangen, aber sie erlaubten es nicht. Als die Soldaten versuchten sie daran zu hindern, fragte einer von ihnen: „Welcher Soldat kann Kurdisch? Einer von ihnen sprach auf Kurdisch. Der Soldat fragte auf Kurdisch: „Was wollt ihr?” Mutter Taybet sagte: „Meine Kinder sind verschwunden.” Der Soldat fragte: „Ist Ihr Sohn unbeschnitten?” Sie sagte: „Ja, mein Sohn ist unbeschnitten.” Der Soldat fragte meine Mutter wieder: „Hat Ihre Tochter lange Haare?” Sie sagte „Ja”.
7 Kinder getötet
Später kam das gepanzerte Fahrzeug und rief ihnen zu: „Geht zurück”. Während sich das Fahrzeug bewegte, kam ein lautes Geräusch und meine Mutter und Tante begannen zu schreien. Sieben Kinder wurden durch eine Minenexplosion getötet. Fünf Kinder aus unserer Familie und zwei Kinder aus der Nachbarschaft. Meine Mutter kam nach Hause und schrie. Wir fragten: „Was ist passiert?” Sie sagte, die Kinder seien alle tot. Wir begruben die Leichen von sieben Kindern in einem einzigen Grab, ohne sie zu waschen. Der Soldat, der zum Grab kam, fragte uns: „Hat die PKK das getan?” Wir antworteten: „Die PKK hat es nicht getan, der Staat hat es getan.”
Taybets Tochter wurde in den Kellern von Cizîr ermordet.
Eine ihrer Schwestern wurde ebenfalls in den Kellern von Cizîr ermordet, sagt Halime. „Meine Schwester Hezni (Sozdar) İnan wurde in den Kellern von Cizîr massakriert. Meine Mutter und meine Schwester haben immer gesagt, dass sie ihr Leben auf eine ehrenvolle Weise verlieren wollten. Wir wollten Frieden und ein freies Leben. Meine Mutter ist auf eine ehrenvolle Weise gestorben. Mutter’ ist alles und das Symbol für alles. Es gibt kein Leben ohne eine Mutter. Ich werde den Kampf meiner Mutter unterstützen, solange ich lebe. Wir werden diesen Kampf niemals vergessen lassen. “